Untermüllers

Ich fasse Mut. Hänge ab und warte. Fernes Geräusch im Hörer.
„Hallo!“
Nur das ferne Kratzen, das leise Summen.
„Hallo! Ist da jemand? Hallo!“
Eine harte Frauenstimme.
„Schon gut! Ich bin schon da! Wozu der Lärm?“
„Verzeihung, ich will Untermüllers sprechen. Sind Sie Frau Untermüller?“
„Klar. Also was wollen Sie?“
Ich bekomme auch eine Männerstimme mit.
„Rosa! Wer ist an der Strippe? Wer ist der Bursche, he?“
„Klappe!“
„Ich will wissen, wer an der Strippe ist! Ich komme todmatt nach Hause, während du hinter meinem Rücken mit Männern kokettierst.“
„Sind Sie noch da?“
„Ja. Ich bin Jagoda.“
„Ein sehr lustiger Name, noch nie gehört.“
„Kommt aus dem Slawischen.“
„Klingt angenehm.“
„Danke! Sind Sie die Mutter von Louis?“
„Was Sie nicht sagen!“
„Louis Untermüller.“
„Was sagt er?“
„Schrei doch nicht so! Klar?“
Nach einer Weile.
„Unser Junge ist Ludwig.“
„Sag ihm doch, dass der Junge Luki heißt und basta.“
„Herr Jagoda, tuscheln Sie nur nicht herum, ich will wissen, worum es geht. Ist das klar?“
„In der Schule…“
„Was war schon wieder in der verdammten Schule? Heraus mit der Sprache!“
„Wieder der verdammte Bengel! Ich habe die Nase voll von diesem Schreckenskind! Er nervt mich schon zu lange!“
„Luki ist mein Kind!“
„Dein Kind! Muss ich mir mal tüchtig vornehmen! Er bringt uns nur Ärger ins Haus! Weißt du überhaupt, was der verdammte Bengel tut? Ich sage es dir, er ruiniert unser Glück, das tut er!“
„Lass doch die Floskel! Und was dein Glück betrifft…, ein Kasten Bier gluckst mir die Bude voll und du bleibst ein ganz dämlicher Schlappschwanz.“
„Sind Sie noch am Telefon, Frau Untermüller?“
„Ja.“
„Könnte ich vielleicht Ihren Herrn Gatten sprechen?“
„Ist nicht da. Eine alte Geschichte, Herr Jagoda. Er ist durch die Lappen gegangen.“
„Ich meinte, weil man dann und wann eine Männerstimme hört.“
„Ist mein Freund.“
„Ja.“
„Also worum geht es denn?“
„Ich will Sie nicht beleidigen, Frau Untermüller, was Ihren Sohn betrifft…“
„Was?“
„Der Junge ist nicht ganz wohlerzogen.“
„Das geht Sie einen feuchten Dreck an. Ist das klar?“
Die ferne Männerstimme.
„Was meint der Bursche?“
„Nichts. Und quatsch nicht immer!“
„Schon gut, schon gut. Der Bursche soll aber wissen, dass ich es nicht hinnehme, wenn man dich beleidigt. Okay? Das soll er wissen! Jawohl! Und der Ton passt mir auch nicht. Das kannst ihm auch sagen. Okay! Und Luki ist ein strammer Kerl! Das soll er auch wissen! Okay?“
„Frau Untermüller, ich will mit Ihnen sprechen.“
„Und er soll dich in Ruhe lassen! Okay?“
„Hören Sie, wir sind keine Akademiker, unser Luki wird doch ein tüchtiger Mann, das kann ich Ihnen und Ihrer gnädigen Frau schon versprechen.“
„Nicht ablegen, bitte, nicht ablegen. Ihr Sohn wollte meinem Jungen ein Auge ausstechen.“
„Aber lieber Herr Jagoda! Diese Bagatelle soll Sie doch nicht sauer stimmen. Sie waren doch auch ein Kind. Alle waren wir Kinder!“
„Wir machten aber das andere Kind nicht blind!“
„Man soll nicht so zimperlich sein, Herr Jagoda! Und unser Lukilein ist übrigens total gefühlsreich. Bestimmt ist er das! Und das mit dem Auge Ihres Söhnleins will ja nur ein harmloser Lausbubenstreich sein! Und Ihr Sohn, wie heißt er nur?“
„Robert.“
„Schön, schön. Der kleine Roby soll sich wehren. Klar? Aber Ende gut, alles gut.“
Die Männerstimme aus dem Hintergrund.
„Ich habe die Nase voll von diesen Typen. Ganz und gar! Sag es ihm! Sag es ihm, dass das nicht unser Bier sei!“
„Liebe Frau Untermüller, wäre damit alles abgetan?“
„Genau.“
„Was Sie nicht sagen!“
Die Männerstimme aus der Ferne.
„Jetzt reicht’s aber! Sag es dem Burschen, dass ich speziell gegen sein Vorgehen bin. Speziell ärgert es mich, wenn sich solche Typen aufdrängen wollen. Speziell mag ich das nicht. Und du auch nicht! Jawohl! Und dass unser Luki ein Prachtkerl ist, sag ihm auch.“