Gedanken vorm Attentat
Aber in meinem Plan ist ein Fehler, den ich mir eingestehen muss: Es wird nicht die unmittelbar Schuldigen treffen, die Bruder und Cousin erbarmungslos niedergeschossen haben. Ich sehe erneut, wie man ihre leblosen Körper ins Haus brachte, und ich höre meinen Klageschrei, der nicht enden wollte. Doch weder er noch die lautlosen Tränen, die in schlaflosen Nächten geflossen sind, haben mich erlöst. Es gibt keinen Trost, wenn grausame Gewalt vernichtet, was nie mehr zu ersetzen ist. Mir bleibt nur die Pflicht, nach überkommenem Brauch zu erfüllen, was ein naher Verwandter leisten müsste, wenn noch einer leben würde. Aber es gibt niemand mehr, der statt meiner handeln könnte. Deshalb spüre ich den Druck des straff geschnallten Sprengstoffgürtels, wo eine Frau in ihrem dafür geschaffenen Leib von dem Mann, den sie liebt, irgendwann Kinder tragen sollte. Stattdessen kann es geschehen, dass ich welche mit in den Tod reiße.
Nach dem Attentat
Seit ich weiß, dass die junge Palästinenserin mit dem Sprengstoffgürtel in das am Rande von Haifa gelegene Ausflugslokal „Maxim“ eingedrungen ist und anderthalb Dutzend Menschen mit in den Tod gerissen hat, fühle ich mich im Bus, den wir benutzen, ziemlich mulmig. Die Empfindung verstärkt sich, als ein junger, großer, sehr schlanker Mann mit hohlwangigem Gesicht, langem blauschwarzem Haar, buschigen Brauen und einem starren, finsteren Blick hereinkommt und vor uns im Gang stehen bleibt, obwohl noch mehrere Sitzplätze frei sind. Er ist kaum einen Meter von mir entfernt, kehrt uns den reglosen, gestrafften Rücken zu und fängt jedes unverhoffte Beschleunigen oder scharfe Bremsen so geschickt ab, dass es mir vorkommt, als sei er an seinem Platz festgewachsen. Wären wir woanders, denke ich, würde ich ihn vielleicht für einen Fakir halten, der sich so in eine unergründliche Welt versenkt hat, dass alles um ihn entschwindet. Doch hier wirkt es eher, als ob er seine Kräfte sammelt, um mit einem zielgerichteten Griff unter sein weites Hemd oder in die schmale Ledertasche, die schwer an seiner rechten Schulter hängt, zu vollenden, was ihm aufgetragen worden ist.
Als der Mann, der mir die ganze Zeit unheimlich erschienen ist, schließlich aussteigt, atme ich befreit auf, weil meine Vermutungen blinder Alarm gewesen sind.